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Antje Marklein, seit Mai bietet der Kirchenkreis Ronnenberg etwas an, das es in dieser Form bislang nirgends in der Landeskirche Hannovers gibt: einen regelmäßigen „Betroffenen-Treff“. Wie ist dieses Projekt entstanden und welche Rolle hat das Mitwirken einer betroffenen Person dabei gespielt?
Antje Marklein: Unser Wunsch war, Menschen zu ermutigen, über ihre Erfahrungen von sexualisierter Gewalt im Kirchenkreis zu sprechen. Der Betroffenen-Treff soll ein Raum für Menschen sein, die mit ihrer Geschichte aus dem Schatten treten möchten. Die von sexualisierter Gewalt betroffene Person, die uns dazu geraten hat, hat uns wiederum ermutigt, einen langen Atem zu haben, das Angebot des Betroffenen-Treffs über lange Zeit vorzuhalten und öffentlich zu bewerben, auch um das Thema sexualisierte Gewalt wachzuhalten. Menschen brauchen lange Zeit, bis sie Vertrauen haben und sich womöglich öffnen können gegenüber der Institution, in der sie Gewalt erfahren haben. Wichtig war deshalb auch, dass wir einen externen Raum, also außerhalb der Gemeinde, und eine externe Fachkraft für das Projekt Betroffenen-Treff vorgesehen haben.
Welche Veränderungen waren seither im Kirchenkreis mit seinen Gemeinden und Gremien für Sie sicht- und spürbar? Was hat Sie überrascht?
Marklein: Sexualisierte Gewalt ist kein Tabuthema mehr. In den Gremien ist die Sensibilisierung für dieses schwere Thema erfolgt, und Menschen sprechen darüber. Beruflich und ehrenamtlich Tätige sind wacher und aufmerksamer für Verhaltensauffälligkeiten und viel stärker im Gespräch über mögliche Verdachtsmomente. Wir bleiben dran an den flächendeckenden Präventionsschulungen und dadurch ändert sich die Haltung. Überrascht hat mich, dass die zurückliegenden Fälle sexualisierter Gewalt im Kirchenkreis Ronnenberg bei einigen Menschen doch stark präsent sind bzw. jetzt wachgerufen worden sind.
Welche Tipps würden Sie anderen Kirchenkreisen geben, die Vergleichbares vorhaben? Gibt es Dinge, die Sie rückblickend lieber unterlassen hätten oder anders angegangen wären?
Marklein: Sich im Vorfeld klare Ziele eines solchen Projektes vornehmen, behutsam vorgehen, Zeit einplanen – auch für das vorbereitende Informieren – und auf Überraschungen gefasst sein. Wir haben im Vorfeld um jedes Wort gerungen, das wir veröffentlichen. Da wären wir bei einer Fortführung von Öffentlichkeitsaktionen jetzt routinierter. Für uns war besonders wichtig die Mitwirkung eines Betroffenen, der uns mit seiner Perspektive auf die Dinge gut begleitet hat.
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