|
Frau Dassler, was ist das Ziel der Neufassung des Gleichberechtigungsgesetzes?
Cornelia Dassler: Bereits seit 2012 gibt es ein besonderes Gesetz zur Gleichberechtigung in unserer Kirche. Dieses soll den auch in der Kirche bestehenden faktischen Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern eine klare Handhabe gegenüberstellen. Das Gesetz bildet die Grundlage für die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten in allen Bereichen unserer Kirche. Wie alle Gesetze enthält auch dieses bisher weibliche und männliche Formen. Damit spiegelt die Sprache aber eine Problematik wider, die längst auch juristisch erkannt ist: Es zeigt sich, dass eine zunehmende Zahl von Menschen in der Bevölkerung – auch unter den Kirchenmitgliedern – sich nicht im vorherrschenden Bild von Geschlecht und damit einhergehenden Festlegungen auf entweder Frau oder Mann wiederfindet. Sie werden bisher im Gleichberechtigungsgesetz nicht angesprochen und es ist nicht immer klar genug, dass und wie ihre Rechte durch dieses Gesetz geschützt sind.
Was wünschen Sie sich bei dem nun beginnenden Prozess?
Dassler: Ich wünsche mir viele Stellungnahmen. Denn es bedeutet, dass sich viele mit der Gendervielfalt auseinandersetzen. Es entsteht aber hoffentlich auch ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass die Auseinandersetzung mit Formen der Diskriminierung als einer Form des Machtmissbrauchs in den Geschlechterverhältnissen uns auch im christlichen Miteinander weiterbringt. Das betrifft jede Person und ist ein wichtiges Feld, in dem wir uns mit Macht und Machtmissbrauch auseinandersetzen. Perspektivisch fände ich eine Stellungnahme der Landessynode gut, in der sie die gute Grundlage in der Kirchenverfassung zum Anlass nimmt, offensiv auf queere Menschen zuzugehen, so wie das andere Kirchen auch in diesem Jahr wieder getan haben.
Ist die Kirche mit der Verabschiedung dieses Gesetzes dann an ihrem Ziel angekommen? Dem Zusammenleben von Menschen jeden Geschlechts, wie es die Verfassung sagt?
Dassler: Darauf kann ich nur biblisch antworten: Noch ist nicht erfunden, wer wir sein werden. Ein Vers, den mir vor vielen Jahren Dorothee Sölle im Blick auf das Verhältnis von Schuld und Macht zwischen den Geschlechtern einmal nahegebracht hat, ist: Wir sind noch nicht am Ziel – aber auf dem Weg. Zu diesem Weg gehören Herausforderungen und Auseinandersetzungen, das ist anstrengend. Um eine geschlechtersensible kirchliche Arbeit und eine Willkommenskultur für queere Menschen zu befördern, hat die Landessynode nun eine Arbeitshilfe beauftragt, an der eine kleine Gruppe von Expertinnen gerade arbeitet. Sie wird ebenso wie das hoffentlich überarbeitete Gesetz in der Novembersynode vorliegen und den Weg zu einem offenen, vielfältigen Miteinander befördern.
|