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Herr Manzke, wie haben Sie Papst Franziskus erlebt?
Karl-Hinrich Manzke: Seit 2014 bin ich Papst Franziskus vielfach begegnet. Mit dem Bezug auf den heiligen Franziskus hat Kardinal Jorge Mario Bergoglio von Anfang an Zeichen gesetzt. Ich habe ihn als eine beeindruckende Persönlichkeit vor Augen. Er hat in seiner Bescheidenheit, Zugewandtheit zu allen Menschen, die ihm begegneten, in seinem Humor und der ihm eigenen unkonventionellen Art, auf Menschen zuzugehen, in seiner Amtsführung Zeichen gesetzt – ganz im Sinne des Franz von Assisi. Bei meiner letzten Begegnung mit ihm zur Woche für die Einheit der Christen im Januar 2024 wunderte er sich, als ich ihm sagte, dass ich nun als 66-jähriger Bischof in den Ruhestand gehen würde und mich von ihm als Botschafter der lutherischen Kirchen in Deutschland verabschieden müsse; er fragte erstaunt und interessiert, wieso denn in den lutherischen Kirchen die Bischöfe schon im reifen Knabenalter in den Ruhestand gehen müssen. Ich könne bei ihm gerne eine Verlängerung der Dienstzeit beantragen.
Welche Rolle hat er für die Ökumene gespielt?
Manzke: Papst Franziskus hat im ökumenischen Miteinander der Kirchen Zeichen gesetzt. Sein Besuch 2016 in Lund im Vorfeld des Reformationsjubiläums ist unvergessen. Dort besuchte er den Lutherischen Weltbund und feierte mit Lutheranern aus aller Welt Gottesdienst in der Kathedrale zu Lund; anschließend wurden im Stadion zu Malmö im Beisein von Papst Franziskus großartige gemeinsame Projekte von Caritas und Diakonie aus aller Welt präsentiert und die tiefe ökumenische Freundschaft zwischen römischen Katholiken und Lutheranern gefeiert, erneuert und für die Zukunft besiegelt. Franziskus war für mich ein überzeugender Repräsentant der ganzen Christenheit.
Was wird von diesem Papst bleiben?
Manzke: Seine deutlichen Zeichen und Signale für eine bescheidene und sich den Armen und Angefochtenen im Namen Jesu zuwendende Kirche. Aus dieser Haltung heraus bezog Papst Franziskus auch unverblümt und direkt zu politischen Themen und Entwicklungen Stellung – im Sinne der Aufgabe der Politik, den Menschen zu dienen und für Gerechtigkeit zu sorgen. Es wird außerdem sein Kampf für die Synodalität seiner eigenen Kirche bleiben. Er wollte eine entschiedene Reform seiner Kirche, sprach und warb dafür unermüdlich – und kam dabei bisweilen in Widersprüchlichkeiten. Nach der Amazonassynode, die in Fragen des Frauendiakonates deutliche Forderungen aufstellte und vom Papst Unterstützung erwartete, schwieg er. Er sah sich aus verschiedenen Regionen der römischen Weltkirche scharfer Kritik ausgesetzt und parierte die unerschrocken. Er löste Bischöfe ab, die in den Fragen des Missbrauchs nicht entschieden genug handelten oder selbst schuldig geworden waren – und fand deutliche Worte der Selbstkritik der Kirche. Es wird deshalb die Erkenntnis bleiben, dass die Reform der Kirche aus dem Geist Christi – in jeder konfessionellen Prägung – eine schwere, fordernde, aber nötige Aufgabe der Kirche ist.
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