Frau Sinnemann, Herr Paul, die US-Wahl liegt nun einige Tage zurück. Wie schätzen Sie die Ergebnisse ein?
Felix Paul: Es sind viele Fragen offen. Trump hat angekündigt, den Ukraine-Krieg zu beenden – wie wird das genau aussehen? Muss Deutschland dann dort aktiver werden und mehr in die Bundeswehr investieren? Hat das vielleicht Auswirkungen auf einen neu diskutierten Wehrdienst bei uns? Was passiert in der Zeit bis Januar, wenn Trump ins Amt eingeführt wird? Da ergeben sich viele Unsicherheiten.
Maria Sinnemann: Die wesentliche Überraschung dieses Wahltages ist die Eindeutigkeit, mit der Trump gewonnen hat. Mir stellt sich die Frage, warum so viele Menschen einen Mann wählen, der offen lügt, der sich sexistisch und rassistisch äußert, ein verurteilter Straftäter noch dazu. Das können viele Menschen hier, denke ich, schwer verstehen. Dies zu ergründen und gleichzeitig klar Stellung zu beziehen, sehe ich als Teil unserer Aufgaben als Kirche an, so viel kann man schon sagen.
Als Christinnen und Christen Stellung zu beziehen könnte aber auch schwierig sein, weil Trumps Sieg nicht nur auf den viel beschriebenen Fundamentalisten beruht, sondern auch viele andere, sich als Christen bezeichnende Menschen, ihn gewählt haben. Wie passen diese beiden Bilder vom Christ-Sein zusammen?
Paul: Das stimmt, das ist eine Frage, die wir nun diskutieren und analysieren wollen: Was macht das mit unserem Christsein, warum haben ihn so viele Menschen gewählt? Sicherlich spielt da die teils fast religiöse Verehrung eine Rolle, insbesondere seit dem Attentat auf ihn; die Inszenierung als starke Persönlichkeit, die die Dinge richten kann. Das hat schon ikonografische Züge.
Würden Sie sagen, politische beziehungsweise demokratische Bildung ist ein zentrales künftiges Anliegen für Sie und uns als Kirche?
Sinnemann: Auf jeden Fall. Jede Entscheidung, jeder Lebensbereich hat eine politische Dimension: Welche Medien ich nutze, welche Produkte ich konsumiere, bis hin zu der Frage, wie und mit welchen Worten ich meinem Gegenüber begegne. Da sind wir als Kirche ein wichtiger Ort, um ins Gespräch zu kommen, sich eine Meinung zu bilden und die auch zu vertreten.
|