Herr Adam, was bedeutet der IDAHOBIT für Sie, wofür steht er?
Theodor Adam: Der IDAHOBIT ist der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit. Es gibt also queere Aktionen rund um den ganzen Globus für queere Rechte und für Gleichwürdigkeit für alle, gegen die Kriminalisierung und Diskriminierung queeren Lebens und Liebens. Für mich ist er eine große Ermutigung und eine Gemeinschaftsbildung: Wir sind über den ganzen Erdball verteilt und stehen auch als weltweite Gemeinschaft füreinander ein, wir sind viele und miteinander stark. Witzigerweise ist das wie mit der weltweiten Christ*innenheit: Irgendwo betet immer jemand für andere und hier setzt sich immer irgendwo jemand für queere Rechte ein, klärt auf oder ermutigt andere.
Aktuell bewegen sich ja einige Dinge – als klar war, dass das Selbstbestimmungsgesetz kommt, als es im April vom Bundestag beschlossen wurde, lagen sich Aktivistinnen und Aktivisten davor in den Armen und feierten einen „historischen Tag“. Wie nehmen Sie die Reaktionen auf das Gesetz in kirchlichen Kreisen wahr?
Adam: Zweigeteilt: Auf der einen Seite ist das neue Gesetz gegenüber dem alten Transsexuellengesetz ein Meilenstein und auch ein deutliches Bekenntnis zur Würde queerer Menschen. Das finden viele großartig, ich auch. Allerdings gibt das Gesetz ja erstmal nur einen Rahmen vor. Was das Gesetz genau bedeutet und wie es mit Leben gefüllt wird, das ist noch nicht ganz klar. Von steuerrechtlichen über bauliche Fragen, etwa, welche Toiletten wo vorgesehen sind, bis hin zu Kirchenbüchern, die angepasst werden müssen und praktischen Fragen wie nach der Zimmeraufteilung auf Freizeiten: Da ist noch vieles zu tun, die rechtliche neue Lage in eine funktionierende Praxis zu überführen. Im Grunde berührt es viele Bereiche, gerade in der Verwaltung brauchen wir eine größere Reform. Aber es geht auch generell um eine Sensibilisierung aller Menschen für ihre Sprache und Handlungen, denn mit dem Gesetz haben wir als Gesellschaft quasi einen neuen Standard festgelegt: Binäres Denken ist nicht mehr ausreichend. Wir sind vielfältiger als nur Mann und Frau.
Das alles wird nicht allen gefallen. Besonders konservative Menschen sagen, dass Queerness nicht zu ihrem Glauben passe, dass ihnen etwa beigebracht wurde, dass Homosexualität Sünde sei. Wie können wir in dieser Hinsicht zusammenkommen?
Adam: Der Austausch und Dialog ist ein ganz wichtiger Punkt, der bisher meines Erachtens noch viel zu kurz kommt. Es geht nicht darum, den Glauben einiger als falsch abzustempeln oder ihnen etwas aufdrücken zu wollen – wir brauchen einen offenen Austausch über unsere Vorstellungen, auch theologisch fundierte Aussagen dazu, dass Gott mehr kennt als zwei Geschlechter. Für mich geht es um die Erkenntnis, dass wir uns lange eingeengt haben und unsere Sicht erweitern müssen. Dem frühen Judentum waren übrigens durchaus mehrere Geschlechter bekannt, dort ist keineswegs nur die Rede von Mann und Frau. Diskursräume könnten etwa Pastoralkollegs der Akademie Loccum sein, Workshops und Seminare dort oder andernorts, in denen offen diskutiert wird. Am Michaeliskloster könnten liturgische Bausteine und Musik für Regenbogen-Gottesdienste entstehen. Ich selbst werde immer wieder zu Pfarrkonferenzen und ins Predigerseminar eingeladen, wo ich für diese Themen sensibilisiere. Immer wieder kommen Menschen auch auf mich zu, insbesondere aus der Jugendarbeit, und fragen, was sie beachten und tun können. Da spüre ich schon eine große Offenheit.
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