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Frau Höfer, welche speziellen Formen von Machtausübung gibt es in der Kirche?
Alena Höfer: Macht ist zunächst ein neutraler Begriff. Er besagt, dass Menschen die Möglichkeit haben, etwas Wirklichkeit werden zu lassen oder nicht. Damit gehen unterschiedliche Machtpositionen einher, in denen mit Macht kritisch und sensibel umgegangen werden kann oder aus denen heraus Machtmissbrauch betrieben werden kann. Das Spezifische in Kirche ist aus meiner Sicht, dass Macht in der Kirche immer auch mit Religion, das heißt mit Theologien, Traditionen, Ämterverständnissen und Praktiken verbunden ist. Das unterscheidet Machtverhältnisse in Kirche von Machtverhältnissen in politischen oder gesellschaftlichen Zusammenhängen. Ansonsten finden sich in kirchlichen und außerkirchlichen Zusammenhängen diesbezüglich sehr viele Gemeinsamkeiten.
Läge eine Chance darin, Machtstrukturen transparent und die Kirche zu einem Lernort für den Umgang mit Macht zu machen?
Höfer: Auf struktureller Ebene ist Transparenz immer ein guter erster Schritt. Wenn Kirche ihre derzeitigen Machtstrukturen transparent darstellt, werden darin auch die bestehenden destruktiven Machthierarchien deutlich werden. Das bedeutet nicht, dass es in Institutionen nicht immer auch funktionale Hierarchien braucht. In einem zweiten Schritt braucht es Haltungen und Handlungen. Wichtig ist dabei auch, einen sensiblen Blick zu entwickeln, wer in der Kirche Macht bekommt und wer nicht. Wenn wir dann Macht diverser verteilen, bedeutet das immer auch, dass es zu mehr Konflikten kommt, weil eine diversere Gruppe Entscheidungen trifft. Hier braucht es eine gute Diskussions- und Konfliktkultur. Transparenz allein reicht aus meiner Sicht also nicht. Wir brauchen weitere Skills, um Diversität auch auf allen Ebenen in der Kirche Wirklichkeit werden zu lassen.
Kirche ist Akteurin und Kritikerin von Macht zugleich. Wie kann es ihr gelingen, den eigenen Umgang mit Macht zu reflektieren und doch handlungsfähig zu bleiben?
Höfer: Ich sage es mal so, Kirche bleibt in der Zukunft in unserer Gesellschaft nur dann handlungsfähig gemäß ihren christlichen Überzeugungen, wenn sie sich selbst als Kirche und Gesellschaft machtkritisch reflektiert. In jeder Organisation, in jeder Gruppe braucht es Menschen, die Verantwortung übernehmen. Damit geht Macht einher und die Notwendigkeit ihrer permanenten Reflexion und eines lernenden Umgangs mit ihr. Ich halte es an dieser Stelle für entscheidend, zwischen Person, Amt und Struktur sowie den unterschiedlichen Ebenen von Gemeinde und lokalen Gruppen bis hin zur obersten Leitungsebene zu entscheiden. Personen in einem Amt tragen eine andere Verantwortung im Umgang mit Macht, weil sie Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen für viele treffen. Grundsätzlicher sind ein erster Einstieg Fragen, wie diese: Welche Perspektive habe ich und wo brauche ich als Entscheidungsträger*in noch andere Expertise? Wie kommen meine Entscheidungen zustande, wen habe ich einbezogen und – noch viel wichtiger – wen nicht?
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